Die einen nervt, dass im Büro rund um die Uhr das Telefon klingelt. Für andere ist ein Telefonat ihr einziger sozialer Kontakt des Tages. Stark vereinsamt sind diese Menschen sehr dankbar dafür, dass sie sich zu jeder Zeit und an allen Tagen des Jahres an die TelefonSeelsorge wenden können.
Deren Arbeit stand im Mittelpunkt des Jahresgottesdienstes der Seelsorgestiftung Oberfranken am Samstag, dem 22. November, in der Bayreuther Stadtkirche. Die Stiftung wurde um den Ewigkeitssonntag des Jahres 2010 zunächst zur finanziellen Unterstützung der TelefonSeelsorge errichtet. Nachdem sie im Laufe der Jahre auch zahlreiche weitere Formen der Seelsorge gefördert hat, war der Gottesdienst in Bayreuth mit rund 100 Besuchern gewissermaßen ein Heimspiel.
Diakonin Elisabeth Peterhoff, Leiterin der TelefonSeelsorge Ostoberfranken, verwendete in ihrer Predigt das Gleichnis vom bittenden Freund aus Lukas 11 und das Lied „Ein Freund, ein guter Freund“ aus dem Film „Die Drei von der Tankstelle“, um die Arbeit der TelefonSeelsorge zu schildern.
„Anrufende haben eine individuell empfundene große Not“, beschrieb Peterhoff ihre Klientel. „Ob wir diese objektiv auch so einschätzen, ist nicht entscheidend und auch nicht wichtig.“ Der eine habe einfach den Bedarf, eine menschliche Stimme zu hören. Andere wurden von einem harten Schicksalsschlag getroffen oder haben ein schweres Unglück erlebt. Wieder andere müssten mit einem schweren Verlust oder wirtschaftlicher Not kämpfen. „Entscheidend ist, dass wir wie ein guter Freund, wie meine beste Freundin, mit dem Herzen hören“, betonte die Diakonin. „Gute Freunde haben nicht immer einen Rat. Im Gegenteil, sie sind damit vorsichtig. Sie hören zu, sagen mal ein trostreiches Wort oder bestätigen einfach, wie schlimm das ist, ohne zu verharmlosen, zu beschönigen, ohne Hoffnung zu malen, wo keine Hoffnung ist. Plötzlich kommt dann manchmal eine Idee für einen nächsten Schritt: raus aus dem Chaos, der Not, der Einsamkeit.“
Für viele Anrufende sei auch die Anonymität der Gespräche bedeutsam, die gewährleiste, dass ihnen vorurteilsfrei und ohne Mitwisser zugehört werde. Sollte sich zu Schulungszwecken eine zweite Person im Raum befinden, müssen die Seelsorgenden zu Beginn darauf hinweisen. Entsprechend trug der Jahresgottesdienst den Titel „Im Vertrauen“.
Dies bringt es mit sich, dass ehrenamtliches Engagement bei der TelefonSeelsorge deutlich weniger öffentliche Würdigung erfährt als z.B. bei Sportvereinen oder der Freiwilligen Feuerwehr. Der Jahresgottesdienst, den auch viele Mitarbeitende der TelefonSeelsorge besuchten, war deshalb ein besonderes Ereignis.
„Ich bin außerordentlich dankbar, dass hier in Bayreuth so viele Ehrenamtliche Tag für Tag, abends und am Wochenende dafür sorgen, dass Menschen aus der ganzen Region ganz unkompliziert jemanden zum Zuhören finden; ein offenes Ohr, ein mitfühlendes Herz“, sagte Regionalbischöfin Berthild Sachs, die als Vorsitzende der Seelsorgestiftung zum Gottesdienst eingeladen hatte. „Danke Ihnen, die Sie heute auch da sind und den Gottesdienst mit der Stiftung feiern.“ Da Themen wie Einsamkeit und Suizidprävention allmählich auch in den Fokus der Politik rückten, sei die TelefonSeelsorge inzwischen „weit über die Kirche hinaus präsent, bekannt und im Bewusstsein“.
„Wir hören zu. Wir bleiben. Wir halten mit aus.“
Kirchenrat Ingo Schurig, Referent für Seelsorge im Landeskirchenamt, verwies in seinem schriftlichen Grußwort darauf, dass die gesellschaftliche Relevanz der TelefonSeelsorge in ganz Bayern kürzlich auch wissenschaftlich belegt wurde. „Die Wirksamkeitsstudie der TelefonSeelsorge zeigt in beeindruckender Klarheit, was viele von uns aus der Praxis seit langem wissen. Menschen, die anrufen, erleben Entlastung, Stabilisierung und konkrete Hilfe – oft bereits durch ein einziges Gespräch.“ Auch für Fachstellen, Beratungsdienste, Krisenintervention, Polizei, Rettungsdienste und andere Träger sei die TelefonSeelsorge zu einem verlässlichen Partner geworden. „Wo andere Systeme an Grenzen stoßen, bietet die TelefonSeelsorge niedrigschwellige Erreichbarkeit und eine Haltung, die keiner Erklärung bedarf: Wir hören zu. Wir bleiben. Wir halten mit aus.“
Stellvertretend für alle Engagierten baten die Ehrenamtssprecher Inge Berghammer und Udo Müller in den Fürbitten um Gottes Segen für die Ehrenamtlichen. Berghammer betätigte sich schließlich auch als Glücksfee. Aus einer Lostrommel mit den Namen aller Kirchengemeinden, die seit Herbst 2024 die Stiftung unterstützt hatten, zog sie die Gewinnerin eines Fortbildungs-Wochenendes für den Kirchenvorstand zum Thema Seelsorge in der Communität Selbitz. Der Preis ging an die Auferstehungskirche in Hof.
Für die musikalische Umrahmung des Gottesdienstes sorgte die Kantorei der Stadtkirche unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Michael Dorn gemeinsam mit dem Kammerorchester. In der weitläufigen Architektur der Stadtkirche schufen sie mit „God be in my head“ von John Rutter ebenso wie mit Bachs „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ eine große Klangfülle.
Der Gottesdienst und das Thema Telefonseelsorge hinterließen offenbar auch bei den Besuchern einen bleibenden Eindruck. So gewann der Förderkreis der Stiftung, für den der Hofer Pfarrer Wolfram Lehmann zum Abschluss sprach, gleich drei neue Mitglieder, die sich zu jährlichen Spenden bereiterklärten.
Der nächste Jahresgottesdienst wird am Samstag, den 21. November, in Lichtenfels zum Thema Notfallseelsorge stattfinden.
